Dienstag, 9. November 2010

Der 9. November

Fast auf die Stunde genau, da ich das hier schreibe, ist es 21 Jahre her, als ich die sinngemäß bedeutungsvollsten Worte meines Lebens im Fernsehen der DDR hörte: "Ab sofort kann jeder DDR-Bürger ohne große Formalitäten die Grenzen der DDR passieren!" Wir saßen damals jeden Abend zusammen mit anderen Familien bei irgendeinem aus unserem Haus im Wohnzimmer und schauten gespannt die Aktuelle Kamera, damals die Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens. Gleich hinterher um 20.15 Uhr dann noch die Tagesschau auf dem ARD, in Chemnitz hatten wir Westfernsehempfang. Vergleichen war immer gut, wir trauten den Nachrichten des DDR-Fernsehens nicht wirklich. Jahrelang hatte ich diesen Müll nicht angeschaut.
Von klein auf musste ich in den diversen Kinderheimen Abend für Abend sehen und hören, wie schlecht der Westen ist, wie gut der Osten und welche LPG wieder wie viel Ernte eingebracht hat oder in welches 3.Weltland "Schenke-Erich", so nannten wir Erich Honecker damals. Wer es nicht weiß, das war der Staatsratsvorsitzende der DDR. Also das Staatsoberhaupt. Natürlich gewählt. Keine Frage. Allerdings hatte man nur die Wahl, diesen Verbrecher und seine Schergen oder gar niemanden zu wählen. Und weil die Auswahl so groß nicht war, sind wir gar nicht erst zur Wahl gegangen. Denn hätte man gegen die Partei und ihre Führungskräfte gewählt, es wäre ja doch nie gezählt worden. Offiziell waren ja immer so um die 99,8 Prozent der DDR-Bürger für alles, was man ihnen vor die Nase setzte. Geglaubt hats sowieso keiner, noch nicht mal die Staasi- und Parteibonzen selbst. Wir sind jedenfalls nicht hin gegangen, und besser war es, man war an diesen Wahltagen auch gar nicht daheim oder bei Freunden, die selbst auch nicht wählen gingen. Denn dann klingelte alle Stunde ein so genannter Wahlhelfer und wollte einen überzeugen, doch noch zur Wahl zu gehen und sein Kreuzchen an der "richtigen" Stelle zu machen. Ja, so war das, man nannte das dann "Freie Wahlen".
Aber an diesem Abend des 9. November 1989 waren keine Wahlen. Da war alles anders, von diesem Abend an würde es nie wieder so sein, wie es einmal war. Das wussten wir da aber noch nicht. Als Herr Schalk-Golodkowski diese Worte sprach, schaiten wir uns alle, so ca. 15 Leute, gegenseitig an und sagten erst mal gar nichts. Dann fragte ich in den Raum hinein: "Was hat der jetzt gesagt?" Ich konnte das gar nicht begreifen in diesem Moment und die anderen wohl auch nicht. Nur einer stand geistesgegenwärtig auf und schaltete den Fernsehsender um, mal kucken, was der Westen dazu sagt. Und er hatte eine Menge dazu zu sagen: Wir sahen die Menschen in Berlin an den Grenzübergängen stehen und wir sahen kurz darauf, wie die Leute in den Weste gingen, einfach so, ohne dass sie noch jemand aufgehalten hätte. Und wir wären am Liebsten selbst nach Berlin gefahren, auf der Stelle. War aber zu weit, man musste ja am anderen Tag wie immer morgens zur Arbeit. Aber wir haben uns in den Armen gelegen und mit Sekt angestossen, den irgendeiner hervor gezaubert hatte. Nur wussten wir noch nicht, dass wir auf das Ende der DDR tranken. Macht aber nichts, ich tu das jedes Jahr wieder neu. Prost Ihr alle da draußen vor den PC, Prost auf Meinungs- und Redefreiheit, auf Reisefreiheit und auf Gedankenfreiheit, auf die Freiheit, Mensch zu sein und sein zu dürfen, ohne dafür bestraft oder weg gesperrt zu werden. Prost auf alles, was danach kam und noch kommen wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen